Es war einmal…
Für viele der aktuellen Nutzer*innen und Besucher*innen war das SubstAnZ „schon immer da“. Der Weg zu dem, was es heute ist, war lang, geprägt von vielen Rückschlägen, Verlusten und vielen Besetzungen – ungebrochen gehalten hat sich der Wunsch und Wille nach selbstverwalteten Räumen (auch) in Osnabrück.
Mit dieser Chronik möchten wir einen Auszug der Geschichte eines autonomen, selbstverwalteten und emanzipatorischen Zentrums im Osnabrück darstellen. Sie hat nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Solltet Ihr noch Bilder oder Informationen zur Geschichte haben, meldet Euch bitte bei uns.
1972
Im Anschluss an ein Konzert am 15.4.1972 der Bands „Bröselmaschine“ und „TonSteineScherben“ im Osnabrücker Schloss, besetzen 500 Jugendliche ein leerstehendes Haus am Ledenhof (Neuer Graben 26) welches in den nächsten Tagen mehrmals von der Polizei geräumt und wieder neu besetzt wird. Die Jugendlichen fordern ein unabhängiges Jugendzentrum, in dem sie einen Veranstaltungsraum, eine Teestube, Räume für politische Gruppen, Musikraum, Laborraum, eine KFZ-Werkstatt, Bücherstube, Second-Hand-Shop und viele andere Sachen einrichten möchten. Die anschließenden, monatelange Verhandlungen mit der Stadt verlaufen im Sand.
1975
Die „Initiative Stadtsanierung“ und die „Initiative für ein unabhängiges Jugendzentrum“ besetzen am 20.1.1975 gemeinsam aus Protest gegen die Altstadtsanierung und den Abriss von Häusern in der Dielinger-und Lortzingstrasse, sowie für die Einrichtung eines unabhängigen Jugendzentrums, ein Haus in der Lortzingstrasse. Vorausgegangen waren monatelange Aktionen gegen die Abrisse. Unter Protesten wird das Gebäude nach zwei Monaten Besetzung abgerissen.
1980
Am 4.6.1980 besetzen 250 Menschen aus Protest gegen die Räumung eines Anti-Atom-Hüttendorfes im Wendland die Marienkirche,
Ein
Haus am Nonnenpfad 22 wird am 22.10.1980 besetzt. Die
Aktivist*innen wollen Wohngemeinschaften einrichten. Nach zwei
Stunden wird es geräumt, am nächsten Tag abgerissen.
Ein
Haus an der Alte Münze 4 (heute Unibibliothek) wird als
Protest gegen Wohnraumzerstörung am 19.11.1980 besetzt. Das Haus
wird nach wenigen Tagen freiwillig verlassen.
1981
(2.1.1981) Besetzung des ehemaligen Studentenwohnheimes an der Ritterstraße(heute Mensa) wegen Wohnraumzerstörung. Nachdem die 25 Besetzer*innen das Haus freiwillig räumen, wird es sofort abgerissen.
Etwa 50 Menschen besetzen am 17.4.1981 die Marienkirche aus Protest gegen den Tod des RAF Häftlings Sigurd Debus.
Wie überall sind, nach der Wiedervereinigung, viele Menschen am Anfang der 1990er Jahre mit dem Kampf gegen neue und alte Nazis beschäftigt. Auch in Osnabrück kommt es zu schweren Angriffen von Nazis u.a. auf die Räume der Alten Münze (AStA, Frauenreferat usw.) welche teilweise in Straßenschlachten enden. Die Antifschistische Aktion Osnabrück [AAOS] hat in ihrer Chronik ein Teil der Jahre dokumetiert (link).
Dennoch finden zwischen 1991 und 1993 einige Besetzungen statt:
1991
Nach 10 Jahren Funkstille wird wieder besetzt: 15 Leute besetzen das Haus Grenzweg 8, um gegen Wohnungsnot, Mietwucher und Umstrukturierung zu protestieren. Nach sechs Stunden wird es geräumt.
1992
30 Menschen aus dem Umfeld des Antifa-Cafés besetzen am 28.6.1992 die alte Glaserei in der Langen Str. 3. Sie fordern für das Gebäude ein Autonomes Zentrum. Die Resonanz der Nachbarn und der ganzen Stadt ist äußerst positiv, die Öffentlichkeit solidarisiert sich mit dem berechtigten Anliegen, das seit Jahren leerstehende Haus wieder zu nutzen. Die Besetzer*innen unterbreiten ein umfangreiches Nutzungskonzept, indem sie die Notwendigkeit des Zentrums für Osnabrück als Alternative zur bestehenden Jugendkulturarbeit überzeugend darlegen. Es kommt zu Verhandlungen mit der Stadt und dem Besitzer, die jedoch scheitern. Nach 13 Tagen wird friedlich geräumt.
Mit der gleichen Forderung wird am 20.7.1992 eine Villa an der Lotter Str./ Ecke Wielandstr. besetzt. Die Räumung erfolgt sofort.
1993
Am 11. Oktober 1993 besetzen 20 wohnungslose Punker den Dom. Sie wollen auf ihre Situation aufmerksam machen und wollen der Forderung nach einem autonomen Zentrum Nachdruck verleihen. Nach vier Tagen verlassen sie, vor Ablauf einer Frist, den Dom und leben wieder auf der Straße.
In den folgenden Jahren sind keine vergleichbaren Aktionen dokumeniert.
2001
Am 1.7.2001 besetzen etwa 40 Menschen (und ein Hund) für einige Stunden eine alte Geflüchtetenunterkunft in der Gesmolder Straße 19.
Durch Unachtsamkeit hat die Polizei im Vorfeld von einer Besetzung in Osnabrück erfahren und war vorbereitet. An der folgenden Demonstration beteiligen sich am 10.7.2001 etwa 100 Menschen.
Am 13.2.2002 urteilt dazu das Gericht und findet von den 40 Menschen vier für schuldig und verwarnt zwei von ihnen. Die anderen beiden Beschuldigten sollen eine Geldstrafe von 25€ zahlen.
In dem Zeitraum von Juli – Dezember werden über 1000 Unterschriften für ein Autonomes Zentrum in Osnabrück gesammelt und dem Jugenhilfeausschußvorsitzenden Franz-Josef Schwack übergegeben.
2002
Am 6.4.2002 findet ein großes Straßenfest für ein Selbstverwaltetes Zentrum an der Alten Münze 12 statt.
Rund 200 Menschen verbringen einen Nachmittag mit Bands, Infoständen und Volxküche. Von den eingeladenen Ratsmitgliedern erscheint keines.
Ab April 2002 muss sich der Jugendhilfeausschuss (JHA) mit der Forderung nach einem einem Autonomen Zentrum für Osnabrück beschäftigen
Am 30.4.2002 besetzen während der Ratssitzung etwa 20 Personen den Sitzungssaal. Vorausgegangen war ein Antrag für die Schaffung eines Autonomen Zentrums. Vertreter*innen von SPD und Grünen finden das Konzept „inhaltlich überzeugend“ und das Projekt an sich als „Bereicherung für Osnabrück“. Die damalige Ratsmehrheit aus CDU und FDP lehnt den Antrag jedoch als „nicht finanzierbar“ ab
An der 1. Mai Demonstration beteiligen sich etwa 150 Menschen um die Forderung nach einem Autonomen Zentrums Nachdruck zu verleihen.
Gleichzeitig wird ein leerstehendes Haus an der Kokschen Straße 73 besetzt um auf den Leerstand hinzuweisen. Ziel ist es, den Leerstand zu nutzen und ein autonomes Zentrum aufzubauen
Am 24.5.2002 demonstrieren 150 Menschen für ein Autonomes Zentrum und den Erhalt der Kokschen Straße. Dort endet die Demonstration und es folgt ein Solikonzert mit „Karacho“
Am 31.5.2002, zum Ablauf der Frist der OWG (ehemalige städtische Wohnungsbaugenossenschaft und Eigentümer*in des Hauses) findet ein großes Soli- und Straßenfest in der Kokschen Straße statt. Am Abend folgt ein Konzert im Haus mit „Hirnsäule“ (OS), „Measystox“ (H) und „Daddy Longleg“ (MS)
Am frühen Morgen des 4.6.2002 stehen plötzlich mehrere Bagger vor der Tür an der Kokschen Straße. Die Bauarbeiter*innen sind von einem leeren Haus ausgegangen und wollen das Haus abreißen.
Aufgrund der Umstände (nicht leer) müssen sie unverrichteter Dinge wieder abziehen.
Am 08.06.2002 meldet sich der damalige Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses Franz-Josef Schwack in der NOZ zu Wort und fordert die sofortige Räumung des Hauses: „Für mich sind das illegale Leute.“ Die Antwort: ein metergroßes Transparent am Haus mit der Aufschrift: „Kein Mensch ist illegal“
Am 13.6.2002 gelingt es der Polizei den „antifaschistischen Schutzwall“ vor der Tür zu überwinden und räumt das Haus. Am Abend danach findet eine lautstarke Demonstration statt. Einen Tag später ist von unserem schönen Haus nichts mehr zu sehen. Die Bagger waren erfolgreich. Das Gelände liegt für die nächsten Jahre brach und ist unbenutzt.
Am 16.6.2002 stellt die Stadt, in unmittelbarer Nähe des Jugendzentrums am Ziegenbrink eine Wiese zur Verfügung um dort ersatzweise Bauwagen aufzustellen.
Am 13.7.2002 wird der Wagenplatz von Hooligans und Nazis angegriffen. Diese haben das Jugendzentrum für eine „Geburtstagsparty“ gemietet. Es kommt zu einer Massenschlägerei mit mehreren Verletzten. Ein Großaufgebot der Polizei trennt die Lager.
Folgend befindet die Stadt die Wiese als ungeeignet und stellt ein Platz am Fürstenauer Weg zur Verfügung. Am 23.7.2002 erfolgt der Umzug und trägt fortan den Titel „AZ Wagenplatz“.
Am 7.11.2002 sollte sich der Jugendhilfeausschuss eigentlich mit der Forderung nach selbstverwalteten Räumen befassen. Unter Hoheit der CDU wird die Befassung abgelehnt. Daraufhin besetzen 40-50 Menschen den Ratssitzungssaal. Die Polizei räumt.
Mit Unterstützung der Grünen und der SPD wird am 28.11.2002 nun doch heftig über den Antrag debattiert. Selbst die „jungen Liberalen“ finden, „dass zu jeder Großstadt ein autonomes Zentrum gehört“ (sic!) und unterstützen die Forderung nach einem Autonomen Zentrums. Nichtsdestotrotz wird der Antrag abgelehnt. Im Anschluss findet eine Demonstration statt. Nun muss sich noch der Verwaltungsausschuss damit beschäftigen wie es am Fürstenauer Weg weitergeht. Es finden viele dezentrale Aktionstage und hunderte Veranstaltungen auf Wagenplatz statt
2003
Am 26.4.2003 findet der legendäre AZ WagenCup statt. Es treten Teams von der Aidshilfe, ATTAC, Arbeitslosenselbsthilfe, AZ Wagenplatz, Rote Laterne, Blutgrätsche Stemwede, Concordia, die Grünen, Endstation Schlippie, FAU, Lokomotive Südkreis, Patientenfront, Radio FFN, Schwulenreferat des des Asta, Unicum und dem Unikeller. Ins Finale geht das Team von Radio FFN gegen Rote Laterne, welche schließlich als Sieger*in das anschließende Konzert feiern können
Am 13.9.2003 entscheidet sich der Verwaltungsausschuss für eine Räumung des AZ Wagenplatz. Da dort offiziell Menschen gemeldet sind, erfolgen Räumungstitel. Der AZ Wagenplatz wird nun fast täglich in regionalen und überregionalen Medien erwähnt. Mit großem Medienrummel besucht am 12.10.2003 die Landessuperintendentin Doris Jansen-Reschke und Superintendent Hammersen den AZ Wagenplatz Am 18.10.2003 demonstrieren etwa 200 Menschen gegen die politischen Entscheidungen des Jugendhilfe- und des Verwaltungsausschusses Am 20.10.2003 wird Klage gegen die Räumungstitel beim Verwaltungsgericht Osnabrück eingelegt. Die angekündigte Räumung wird ausgesetzt.
2004
Die Ratssitzung am 22.9.2004 wird durch „Autonome Greise gestört“ (NOZ). Unter dem Titel „Wir sind alt und grau geworden“ betreten Unterstützer*innen u.a. mit Rollatoren den Ratssitzungssaal. Die CDU findet das geschmacklos – Wir sie auch.
In der Nacht zum 3.10.2004 besetzen sieben Menschen das seit Jahren leerstehende „Lutherhaus“ an der Jahnstraße. Die Besetzung hält erneut nur einige Stunden und wird von der Polizei geräumt.
Gleichzeitig besetzen Bewohner*innen des AZ Wagenplatzes und andere eine Wiese in unmittelbarer Nähe des Wagenplatzes. Sie wollen auf die vielen freien Flächen in der Stadt hinweisen. Zwei Tage später erscheinen Offiziere der Britischen Rheinarme auf der neuen Wiese. Sie weisen darauf hin, dass sich dort eine Übungsfläche für Pioniere befindet und sie die Hoheit über das Gelände hätten. Der Platz wird freiwillig verlassen. Die NOZ schreibt später dazu „Autonome gehen britischen Panzern aus dem Weg“. Ganz so war es nicht – aber egal.
Am 23.10.2004 genehmigt das OVG Lüneburg die Räumung des AZ Wagenplatz.
Am 1.11.2004 wird der Wagenplatz kurzzeitig freiwillig geräumt; es findet eine Bombenentschärfung statt.
Die NOZ begleitet die „evakuierten Bewohner*innen“ und dokumentiert, was Autonome in solchen Situationen machen – unbedingt notwendig.
Die finale Räumung des AZ Wagenplatzes findet am 15.11.2004 statt. Eine Hundertschaft der Polizei, unterstützt vom Ordnungsamt und weiteren Behörden durchsucht das Gelände, nimmt Menschen in Gewahrsam und lässt alle Wagen sicherstellen. Das Abschleppunternehmen, das die Wagen entfernen soll, ist mit dem Umgang solcher Anhänger überfordert. Am Abend demonstrieren über 100 Menschen wütend, lautstark und/aber friedlich gegen die Räumung
Es folgen legendäre „AZ im EXIL Partys“ um Haus der Jugend (Bocksmauer)
2006/2007
Der damalige Oberbürgermeister Fip macht Hoffnung, dass wenn ein „normaler bürgerlicher Verein gegründet wird und das mit den Besetzungen seien lassen würden“, die Stadt offen für eine Vermittlung städtischer Gebäude wäre.
2007 wurde der Verein „Freundeskreis für ein selbstverwaltetes Zentrum, Bildung und Kultur e.V.“ (FrAZ) gegründet.
Der FrAZ e.V. erstellt umfangreiche Finanzierungskonzepte, wird als „freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe“ und gemeinnützig anerkannt. Von dem „Versprechen“ weiß später natürlich niemand mehr etwas.
2008
Zum 1. Mai 2008 wird als Ersatz eine Etage in einem Bürokomplex in der Liebigstraße gemietet. Allerdings wird schnell klar, dass erstens der Platzbedarf viel viel größer ist als gedacht und zweitens, Vermieter manchmal seltsam sind. Zwar wird die Kaution angenommen und uns Schlüssel überreicht – ein schriftlicher Mietvertrag wird allerdings nie angenommen.
Das Experiment an der Liebigstraße endet nach einem Jahr. Es hat gezeigt wie viele Menschen hinter der Forderung nach autonomen Räumen stehen.
2009
Ziemlich größenwahnsinnig und mutig wird seit Mai 2009 ein komplettes Haus an der Frankenstraße 25a angemietet. Über 700qm sollen genug Raum für Selbstverwaltung bieten. Das Werkstatt- und Bürogebäude wird für unsere Zwecke renoviert und hergerichtet. Seit September steht es zur Nutzung zur Verfügung.
2015
Zum Jahreswechsel gibt es einen Eigentümerwechsel das Hauses und des gesamten Areals (Frankenstr. 25/25a und sog. Kulturhof Dammstraße) . Zum 31.5.2015 nutzen die neuen Eigentümer eine Sonderkündigungsklausel und kündigen den Vertrag. Fast das gesamte Jahr wird sich mit der Bleibeperspektive beschäftigt. Zähneknirschend wird einem neuen und deutlich teurerem Mietvertrag zugestimmt
2024
Zum 31. August 2024 haben uns unsere Vermieter, nach 15 Jahren Frankenstraße, vor die Tür gesetzt.